Markus Sternlieb

- Ein Baumeister verändert das Gesicht seiner Stadt

Die Westend-Siedlung

Times are changing

veränderte Startbedingungen für das

WESTEND-VIERTEL

Ausgelöst durch die Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 hatten sich die Rahmenbedingungen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau radikal gewandelt. So machten die unter Reichskanzler Brüning verabschiedeten Notverordnungen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau die folgenden Auflagen verbindlich: „Kleinstwohnungen mit billigen Mieten durch Verkleinerung des Grundrisses und Herabsetzung der Baukosten.“ Marcus Sternlieb plante dennoch seine neuen Erkenntnisse zum Wohnungsbau in die Planung zu integrieren: „Trotz dieser engen Grenzen werden wir auch in Zukunft bei der Planung und Ausführung unserer Wohnungsbauten die auf dem Gebiet der Hausinstallation gesammelten Erfahrungen verwenden, denn wir wollen auch fernerhin nicht nur ‚Wohngelegenheiten‘, sondern auch gesunde ‚Dauerwohnungen‘ schaffen.“

Ludwigshafen Ende der 20er/Anfang der 30er
Ludwigshafen ist seit 1935 eine Großstadt mit zur Zeit 101869 Einwohnern. Anders als die Residenzstadt Mannheim, die von Herrschern und Stadtplanern angelegt wurde, was sich durch die Planquadrate zeigt, ist Ludwigshafen nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gewachsen. Hier war die BASF maßgeblich beteiligt.
Damals gab es in Ludwigshafen große Probleme. Es gab...
- 3 Eisenbahnlinien, welche die Stadt in nicht zusammenhängende Ortsteile durchtrennten,
- ein großes Durcheinander von Wohnungen und Fabriken,
- einen Mangel an Grundflächen,
- ein rasantes Bevölkerungswachstum, das einen großen Wohnungsmangel nach sich zog.

Geografische Lage
Die Westendsiedlung ist ein rund 30 Hektar großes Gebiet in innerstädtischer Lage und es leben dort rund 4 000 Menschen. Das Westend wird von Hauptverkehrsachsen umringt, die eine große Barrierewirkung haben und das Gebiet vom direkt sich anschließenden Zentrum Ludwigshafens und den übrigen benachbarten Stadtteilen abgrenzen. Der Hauptbahnhof und die Schienenführung bilden zusätzliche »Abriegelungen«.

Bau der Westendsiedlung
Die Westendsiedlung wurde nach der Wirtschaftskrise von 1929 gebaut und die Bauzeit reichte von April 1929 bis Mai 1930. Ende der 20er Jahre waren vor allem Kleinwohnungen für Arbeiter mit geringem Einkommen gefragt, welche auch in der Westendsiedlung zum Großteil verbaut wurden.
Das Ziel der Westendsiedlung war also der Bau billiger, rationaler und gesunder Wohnungen in der Nähe des Stadtkerns, die den kulturellen Bedürfnissen der Zeit entsprechen. Die Westendsiedlung wurde durch die GAG finanziert. Diese nahm über die Stadt private Kredite auf, um die Gebäude zu finanzieren.
Der bayrische Staat legte die Mietpreise fest, welche 10 RM pro m² im Jahr betrugen. Somit gab es 341 Wohnungen mit Mietpreisen zwischen 35 RM und 47 RM monatlich.
Die Nachfrage war damals wesentlich höher, als das Wohnungsangebot.

Gebäudestruktur
Charakteristisch für das Westend ist die weitgehend aus den 30er-Jahren stammende, meist fünfgeschossige, stark verdichtete Blockrandbebauung in Klinkersteinen mit Ergänzungen aus den 50er-Jahren. Diese so genannte Westendsiedlung, die in einem orthogonalen Schachbrettmuster angelegt wurde, galt als klassisches Arbeiterwohngebiet und bildet den Ursprung des heutigen Quartiers. Die Abkehr von der Blockrandbebauung wurde in den 70er Jahren im Norden vollzogen. Die Neubautätigkeit seit 1980 brachte rund 40 Prozent aller bestehenden Wohnungen - vornehmlich im südlichen Bereich des Quartiers - hervor, in dem bis zu zwölfgeschossige Wohnblocks und Studentenwohnheime entstanden sind. Die Mehrzahl der Gebäude im Westend wird ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt. Rund 830 der insgesamt 2 460 Wohnungen sind im Besitz der städtischen Wohnungsbaugesellschaft »GAG Aktiengesellschaft für Wohnungs-, Gewerbe- und Städtebau« und zum großen Teil Sozialwohnungen. In den Randbereichen des Quartiers findet man auch eine Mischnutzung von Wohnen und Kleingewerbe, eine rein gewerbliche Nutzung von Gebäuden stellt eher die Ausnahme dar. Kleinere Lebensmittelgeschäfte und Dienstleistungsbetriebe spielen für die Versorgungslage der Bevölkerung eine wichtige Rolle.

Probleme in der Infrastruktur
Die Siedlung fällt durch mangelnde Sauberkeit negativ auf. Durch die geringe Freifläche, die durch den Bau von Garagen noch weiter eingeschränkt wird, haben die Bewohner kaum Gestaltungs-möglichkeiten. Außerdem liegt ein Unsicherheitsgefühl bei vielen Bewohnen vor, da es hier sehr viele dunkle und unübersichtliche Ecken gibt.

Die Wohnungen sind von Größe und Ausstattung nicht mehr zeitgemäß und daher besteht ein sehr hoher Sanierungs- und Modernisierungsbedarf, dem die GAG jetzt schrittweise nachkommt.

Probleme in der Gesellschaft

  • Es liegt eine sehr hohe Arbeitslosigkeit von 23,4% vor (in Ludwigshafen beträgt die Arbeitslosenrate im Jahr 1999 insgesamt 11,7%).

  • Es gibt einen hohen Anteil von Sozialhilfeempfängern, nämlich 9,5% (LU gesamt 2,3% Jahr 2000).

  • Das Westend wird außerdem geprägt durch einen extrem hohen Ausländeranteil, von 40%. Daher ist ca. jeder zweite Bewohner des Westends ein Ausländer (Lu ges. 19,9%, 2000).

  • Ein hoher Bevölkerungsverlust, eine hohe Bevölkerungsabwanderung mit 5,6% (LU ges. 3,3%, 1995 – 2000) beweisen außerdem eine starke Fluktuation der Bewohner, was kein stabiles Gemeinwesen zur Folge hat.

  • Ein weiteres Problem ist, dass im Westend kaum öffentliches Leben in Form von Vereinen und Initiativen herrscht. Somit sind die Vergnügungsmöglichkeiten im Westend direkt sehr beschränkt.

  • Außerdem gibt es im Westend einen sehr hohen Anteil von allein erziehenden Müttern.


Aa.= Ausländeranteil, Bv.= Bevölkerungsverlust,
S.= Sozialhilfeempfänger, A.= Arbeitslosigkeit
Angaben in Prozent

Chancen
Das Westend ist ein relativ „junges“ Viertel, da der Anteil der über 60–jährigen hier bei 18% liegt, was im Vergleich zu ganz Ludwigshafen mit 24% im Jahr 2000 wesentlich weniger ist. Die in der Region/Stadt untypischen Klinkerbauten erzeugen einen gewissen Charme. Außerdem ist die Verkehrsanbindung sehr gut, was durch die Lage zwischen Innenstadt und Hauptbahnhof gewährleistet ist.

Entwicklungsziele
Ein wichtiges Entwicklungsziel ist die soziale und wirtschaftliche Integration der Bewohner und somit auch der Aufwertung des Images des Stadtbezirks.

Die „Gettoisierung“ durch eine Einbindung des Westends in die Gesamtstadt ist auf jeden Fall zu vermeiden. Die Defizite im Wohnungsbereich sowie in der Infrastruktur sollen behoben werden. Die Bewohner sollen durch Einwohnerversammlungen und die Einrichtung eines Bürgerbüros in den Entwicklungsprozess eingebunden werden und so die Zukunft des Westends mitgestalten können.

Quellen
* Stadtarchiv Ludwigshafen am Rhein Dr. Mörz
* Dr. Braun (GAG)

 

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