Abraham-Pokal

 „Ohne die Guten säße ich heute nicht hier“

 

Zeitzeugen-Gespräch des ehemaligen jüdischen Zwangsarbeiters Walter Wassermann mit Schülerinnen und Schülern des Wilhelm-von-Humboldt-Gymnasiums

Es herrscht eine ungewöhnliche Stille in der Aula des WHG als der 87 jährige Walter Wassermann nach gut 90 Minuten, in denen er den etwa 150 Schülerinnen und Schülern der 10. und 11. Jahrgangsstufe Fragen über seine schwere Zeit als jüdischer Zwangsarbeiter in Mannheim beantwortet hat, das Mikrofon aus der Hand legt. Jahrzehntelang hatte der gebürtige Mannheimer nicht über seine schrecklichen Erfahrungen unter dem Terror des Dritten Reiches gesprochen und erst vor kurzer Zeit sein Schweigen gebrochen. Trotz des ernsten Themas aber fand Wassermann - nicht zuletzt durch seine im Mannhemmer Dialekt vorgetragenen Berichte und seine sympathische und optimistische Art – einen guten Zugang zu seinen jugendlichen Zuhörer. „Er fand sofort einen Draht zu den meisten von uns und wir klebten förmlich an seinen Lippen“ so das Resümée der beiden Schüler Rudolf und Philipp aus der 10c.

Wassermann war 16 Jahre alt – wie die vor ihm sitzenden Schülerinnen und Schüler – als er, der Ur- Mannheimer, 1940 mit seiner katholischen, aber zum Judentum konvertierten Mutter, die in zweiter Ehe mit einem Berliner Juden verheiratet war, in seine Heimatstadt Mannheim zurückkehrt. Als Kind aus einer so genannten „Mischehe“ bleibt ihm das Schicksal seiner Großeltern, die bereits ins KZ Gurs deportiert worden waren und später in Auschwitz ermordet wurden, erspart. Aber er durchlebt als jüdischer Zwangsarbeit in verschiedenen Mannheimer Betrieben eine Jugend, die durch aufreibende Knochenarbeit, unmenschliche Behandlung, Terror, zermürbende Angst und quälenden Hunger gekennzeichnet ist. Er weiß von Entrechtung und Verfolgung, von Prügelstrafen zu berichten, aber auch vom Verbot als Jude Schwimmbäder, Arztpraxen oder Luftschutzbunker zu betreten, immer die Todesangst im Nacken. Noch Anfang 1945 wird er nach Theresienstadt deportiert. Aber als einer der wenigen Mannheimer Juden, die den Nationalsozialismus überlebten, berichtet Wassermann auch von den Mitmenschen, die sich trotz der Lebensbedingungen und Zwänge einer Diktatur sich ihre Menschlichkeit bewahrt haben: die katholischen Verwandten, bei denen er in den Quadraten überlebte, der Chef, der dem entkräfteten Jugendlichen, leichtere Arbeit zuteilt als 50- Kilo- Zementsäcke zu schleppen, ein anderer, der ihm Kleidung gibt, die den Judenstern verdecken sollen. „Ohne die Guten, säße ich heute nicht hier“ wiederholt Wassermann immer wieder und das ist, es, was auch die Schülerin Isabelle beeindruckt hat. “Es ist ein großer Unterschied, ob man den Nationalsozialismus nur im Unterricht durchnimmt bzw. darüber liest, oder ob ein Zeuge dieser Zeit aus seinen eigenen Erfahrungen darüber berichten kann. Ich fand es auch faszinierend, dass der Mann trotz allem, was er schon erlebt hat, soviel Lebensfreude besitzt. Es ist auch wichtig zu wissen, dass nicht alle Menschen zu dieser Zeit schlecht waren, sondern dass es auch andere gab, die trotz der Gefahr geholfen haben“. Und eine andere Schülerin aus der Parallelklasse: „Ich denke einen Zeitzeugen befragen zu können, ist informativer als jede Geschichtsstunde“.

Andreas Klaes

 


Zeitzeugen-Gespräch der 10. und 11.Klassen in der Aula des WHG (Foto: Flatter)

 


Walter Wassermann, ehemaliger Zwangsarbeiter, im Wilhelm-von-Humboldt-Gymnasium (Foto: Flatter)

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